Halde Haniel, Oberbayern
„Alpen“ von Manfred Zollner
Die höchste Erhebung im Umfeld des gebürtigen Oberhauseners Peter von Felbert war über viele Jahre ein gefühlter 30 Meter hoher, ziemlich unspektakulärer Schlackeberg. Die Alpen waren schlichtweg in einer anderen Welt weit jenseits des Ruhrgebietes. Selbst als der Fotograf nach seinem Studienabschluss an der FH Bielefeld nach München übersiedelte, blieben die Berge lange eine Region, die der Stadtmensch mehr als Barriere auf dem Weg nach Italien, denn als persönliche Herausforderung betrachtete. Bis ihm eines Abends vor etwa fünf Jahren die Bilder von Luis Trenkers „Der verlorene Sohn“ über den heimischen Fernsehbildschirm flackerten. Es waren die imposanten Aufnahmen der Dolomiten in Trenkers Filmklassiker aus dem Jahr 1934, die plötzlich etwas in dem Fotografen weckten. Wie gewaltig dieser neue Eindruck gewesen sein muss, mag sich ein wenig erschließen, wenn man weiß, dass sich von Felbert kurz darauf ins Auto setzte und drei Tage lang durch die Täler Südtirols kurvte.Seitdem faszinieren ihn die Alpen, insbesondere die winterliche Hochgebirgsregion. Fotografisch begann nun allerdings eine Frustphase. „Es fiel mir zunächst nicht leicht, meine Gefühle in Bildern zum Ausdruck zu bringen“, erinnert sich der Fotokünstler. „Alles wirkte viel zu pittoresk mit diesem blauen Himmel.“ Und noch etwas: die Alpen zeigten sich dem Gebirgs-Greenhorn jedes Mal neu und anders. Sie verlangten nach einer anderen Logistik als vorangegangene Bildserien. Was sich jetzt und hier entwickelte, war konzeptioneller als alle Projekte, die er davor angepackt hatte. Wie fotografiert man diese schroffe, fremde Welt, in der das Thermometer bis auf minus 30 Grad Celsius fällt? Wer heute in den Bergen fotografiert, bewegt sich in einem Umfeld, das die Kunstwelt in den vergangenen zehn Jahren zunehmend für sich wiederentdeckt hat. Der Südtiroler Walter Niedermayr, der Schweizer Jules Spinatsch, aber auch Margherita Spiluttini oder Axel Hütte haben hier wichtige Beiträge geleistet. Dabei hatte es nach der Vereinnahmung der Bergwelt durch die Naturideologie der Nazis und dem folgenden Heile-Welt-Heimatkitsch der 50er-Jahre lange gedauert, bis sich die Kunst wieder ans Zentralmassiv wagte. Gerne hatte man das der schrillen Populärkultur mit fröhlichem Heiditum und Milka-Romantik überlassen. Die Berge zeigten zwei Nachkriegsgenerationen ausschließlich ihre Schokoladenseite. Man pflegte Klischees und watete durch seichte Täler zum Musikantenstadel. Von Felberts Alpen-Serie nähert sich dem Berg behutsam und streng formal. Zunächst fesselt sein Blick auf die gewaltige Gesteinsmasse, die geologische Formation, baumlos, schneebedeckt, Ehrfurcht erweckend. Seine Bilder der Bergshilouetten bleiben ästhetisch noch in der Tradition der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Im weiteren Verlauf der Serie zeigt der Künstler die Eingriffe des Menschen in die Natur, die Strukturen des Wintersports in der Felsregion jenseits der Baumgrenze. Der Skifahrer verliert sich hier, bleibt Miniatur auf der planierten Großpiste. Eine künstliche, auferlegte Matrix der Freizeitindustrie presst sich in den Berg, Lifte und Pistenmarkierungen ragen unwirklich aus diesem Umfeld. Die Betrachtungen des Fotografen führen hier bis in den Bereich der Abstraktion. Mensch und Landschaft gehen auf im weißen Nichts. Seine Bilder wollen uns keine konkreten Orte vorstellen, sie stehen exemplarisch für die geographische Region zwischen Zermatt und den Ostalpen und sind Zustandsbeschreibungen. Seine Empfindungen ordnet von Felbert irgendwo zwischen Faszination, Ehrfurcht und Bedrohung ein. Eine subtile Rolle spielt bei seinem Alpen-Projekt die digitale Bearbeitung der Bilder. Der 44-Jährige Bildermacher nutzt Photoshop-Software für einen Kunstgriff. Er neutralisiert den blauen Himmel zum einheitlichen Grau. So wirkt das verbleibende Sonnenlicht auf den Bergen plötzlich surreal irritierend. „Die Frage nach der Wirklichkeitswahrnehmung stellt sich oft in meinem Werk“, sagt der Künstler. „Mich interessiert die Grenzlinie zwischen Wahrheit und Fiktion.“ Der Berg steht bei bei ihm für die Ewigkeit, seine Bilder beschäftigen sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Text: Manfred Zollner, stellvertretender Chefredakteur des Fotomagazins.